Während ein Grossteil der Angestellten des tertiären Sektors zu Homeoffice verdonnert wird und sich dadurch schleichend an die Digitalisierung der Arbeitswelt gewöhnen, wird auf schweizerischen Baustellen gearbeitet, als hätte es nie ein Coronavirus gegeben. Wir haben am 29. März 2020 mit Hans gesprochen. Hans ist Maurer, Mitte dreissig und arbeitet auf verschiedenen Baustellen in und um Zürich.
(az) Hallo Hans! Wie sieht die Situation auf Deinen Baustellen sowie über Mittag zu Zeiten von Corona aus?
Hans: Guten Tag. Momentan wird normal weitergearbeitet. Wir versuchen, die nötigen Sicherheitsmassnahmen zu bewältigen – jene die man selbst kurzerhand machen kann. Wir schauen zum Beispiel, dass sich nicht zu viele Leute gleichzeitig in einem Raum befinden und dass wir am Mittag etwas auseinandersitzen. Oftmals ist es aber nicht möglich, die zwei Meter Abstand zu halten. Auch sollte man sein persönliches Werkzeug eigentlich nicht weiterge-ben und das WC jeweils desinfizieren – das alles ist aber häufig nicht oder nur unzureichend möglich. Da wir in klei-neren Gruppen arbeiten, sind wir am Mittag auch weniger Leute, die gemeinsam Mittag essen. Wir sitzen nicht zu zehnt in einer Baracke. Das ist ein Unterschied zu grösseren Baustellen. Meistens kommen wir auch direkt auf die Baustelle und reisen nicht gemeinsam an. Dadurch sind wir weniger ausgesetzt wie jene, die morgens mittels Per-sonenbussen in grösseren Gruppen kommen. Über Mittag sitzen wir im Znüni-Raum, bei schönem Wetter draussen. Die Ansteckungsgefahr ist sehr real vorhanden. Es ist insgesamt nicht möglich, den Mindestabstand von zwei Me-tern den ganzen Tag über einzuhalten.
Gibt es Baustellen, die bereits geschlossen wurden?
Im Kanton Zürich habe ich davon noch nicht gehört. In anderen Kantonen war das anders, da wurde erkannt, dass dies unumgänglich ist, um die Ansteckungsgefahr zu senken. In Österreich ebenso.
Gab es am Arbeitsplatz versuche, die Gesundheit zu schützen, etwa Schulungen? Oder weisst Du von solchen Mass-nahmen auf anderen Baustellen?
Überall hängen die Informationsblätter des Bundesamtes für Gesundheit. Von allen Baustellen habe ich aber gehört, dass die ArbeiterInnen selbst für sämtliche Schutzmassnahmen verantwortlich waren. Sie mussten sich bemühen, um an Desinfektionsmittel oder Masken zu gelangen. Schutzmasken werden aufgrund der Krise im All-tag aber zur Mangelware und eher zurückhaltend verteilt, so dass wir nun im Allgemeinen mehr dem Staub ausge-setzt sind als noch vor Corona.
Was sind auf den Baustellen die typischen Gesprächsthemen während der Corona-Krise?
Corona ist im Allgemeinen ein riesengrosses Thema, welches sofort eine Verbundenheit unter den Arbeiten-den bewirkt. Alle finden, dass zu wenig gemacht wird, um die Gesundheit der Leute zu schützen. Baustellen sollten geschlossen werden, mit gleichzeitigem Lohnausgleich. Alle finden die gegenwärtigen Umstände eine Zumutung.
Weisst Du etwas über Kämpfe auf Baustellen in anderen Ländern? Sind solche Kämpfe Thema auf Baustellen?
Die Beispiele von Kämpfen und Streiks sind uns in unserem Team bewusst. Etwa jene der französischen Schweiz oder dass in Österreich schon gar nicht mehr gearbeitet wird. Aber es ist kein Thema, dass man bei uns auch gleich sowas lostreten würde. Leider noch nicht. Es ist eine Zeit, in der man abwartet.
Was denkst Du persönlich über die Verhältnisse zu Zeiten von Corona?
Die Situation, mit der wir heute konfrontiert sind, ist die Zuspitzung von Verhältnissen, die wir und viele andere ArbeiterInnen auf dem Bau schon lange kennen. Ich meine, dass wir mit unserer Gesundheit für den Profit der Pat-rons zahlen. Es ist eine zusätzliche Entwürdigung unseres Berufs und unserer Identität als Bauarbeiter, dass nun so deutlich hervorgebracht wird, wie die Gesundheit von uns und unseren Angehörigen weniger wert ist, als die von anderen Teilen der Gesellschaft. Es erscheint als absolute Provokation: Die meisten, die weiterarbeiten müssen, sind mehrheitlich gezwungen, eigene Sicherheitsmassnahmen umzusetzen oder einzufordern, individualisiert! Es fehlt an Desinfektionsmittel und es ist zu wenig Platz vorhanden. Die Annahme, dass die Chefs uns schützen, damit wir möglichst weiterarbeiten können, ist ein schlechter Witz. Das einzige was wirklich nützen würde, wäre zuhause zu bleiben. Und zwar bezahlt, so wie die meisten privilegierten Teile unserer Gesellschaft. Diese sitzen längst in ihrem «Safe Space», in ihren individuellen, kleineren und grösseren Wohnparadiesen, die schlussendlich auch wir gebaut und ermöglicht haben. Das muss deutlich gemacht werden. So aber treiben wir die Ansteckung weiter und fördern die Überlastung des Gesundheitspersonals.