Prozesserklärung zu Basel Nazifrei (26.10.20)

Heute (26.10.2020) stand ein Genosse in Basel vor Gericht. Ihm wurde Beteiligung an der antifaschistischen Gegendemonstration vom 24. November 2018 vorgeworfen. Diese richtete sich gegen einen Aufmarsch der Partei National Orientierte Schweizer (PNOS). Der Erfolgreichen Blockade gegen die Nazis folgte eine Repressionswelle mit zahlreichen Hausdurchsuchungen und Verhaftungen in der ganzen Schweiz. Aktuell läuft die Prozess-Serie gegen rund 40 Antifaschistinnen und Antifaschisten.

Wir veröffentlichen im Folgenden die Erklärung des Genossen, welche er vor dem Strafgericht gehalten hat.

Erklärung vor Gericht

Prozess zu Basel Nazifrei am 26.10.2020

Ich wurde nicht als Kommunist geboren.

Doch anzusehen wie der Mensch mit dem Menschen umgeht und ihm Gewalt antut… Anzusehen wie der Mensch den Menschen um des Profites Willen ausbeutet und die Natur schamlos ausplündert. Die ganze Ungleichheit trotz gigantischem Reichtum auf der Welt und vieles mehr….

Dies alles hat mich zum Kommunisten gemacht.

Antifaschist hingegen bin ich schon viel länger, wohl seit der Primarschule. Ich konnte es schon damals nicht aushalten, die Bilder der Konzentrationslager zu sehen, die Bilder von Auschwitz, Dachau und Buchenwald. Die ganze Gewalt die der Faschismus in letzter Konsequenz auszuüben in der Lage ist. Ich sah mir schon damals gebannt die Bilder des Elends an, wie Menschen in grausamer Fortführung der kapitalistischen Logik entwertet und entmenschlicht wurden. Wie Menschen in die Zwangsarbeit getrieben, selber zu Waren degradiert und schlussendlich vernichtet wurden.

Die Grausamkeiten und das Elend des Faschismus beschäftigten mich, gleichzeitig aber auch der Mut und die Solidarität derjenigen, die der faschistischen Gewalt ihren Widerstand entgegensetzen. Ich empfand schon als Kind Ehrfurcht und Respekt vor denjenigen, die bereits in den 30er-Jahren hingestanden sind, als Nazis in Deutschland erstmals marschierten. Oft Kommunistinnen und Kommunisten. Sie sind den Nazis mit Vehemenz entgegengetreten, obwohl sie von den regulären Parteien im Stich gelassen wurden, obwohl ihnen gesagt wurden, sie sollen nicht übertreiben. Obwohl sie kriminalisiert und eingesperrt wurden. Ihnen war schon damals klar: Wo Faschisten marschieren, muss blockiert werden – wo Nazis ihre Ideologie auszubreiten versuchen, muss entschlossen entgegengetreten werden. Dabei auf den Staat zu vertrauen wäre Fehlanzeige. Legal und illegal sind nicht in jedem Fall relevante Kriterien.

Und wenn Ihr in der Geschichte zurückblickt, werdet ihr mir wohl Recht geben.

Ich empfand schon als Kind Respekt vor denjenigen, die bereits in Ghettos oder Konzentrationslagern eingesperrt, trotzdem Widerstand leisteten. Viele Jüdinnen und Juden, aber auch Kommunistinnen und Kommunisten waren an vorderster Front stark vertreten: Sabotageakte, bewaffnete Aufstände, Sand ins Getriebe der faschistischen Bestie. Im Schwur von Buchenwald hielten die befreiten KZ-Häftlinge, viele davon politische Gefangene, fest: „Wir stellen den Kampf erst ein, wenn auch der letzte Schuldige vor den Richtern der Völker steht. Die Vernichtung des Nazismus mit seinen Wurzeln ist unsere Losung. Der Aufbau einer neuen Welt des Friedens und der Freiheit ist unser Ziel. Das sind wir unseren gemordeten Kameraden und ihren Angehörigen schuldig“.

Wenn ihr mir nun entgegenhaltet: Das war früher und meine Ausführungen hätten heutzutage keine Relevanz mehr: Dann schaut nach Hanau und Halle. Schaut zu was Faschisten in der Lage sind.

Wenn ich in die Türkei blicke, sehe ich ein autoritäres faschistisches Regime, welches mit aller Gewalt, mit Folter und Ermordung gegen Kurdinnen und Kurden sowie gegen politische Gegner vorgeht. Wenn ich in die USA blicke, sehe ich eine erstarkte Rechte Bewegung, welche davon träumt, schwarze Menschen erneut zu versklaven und sie an Bäumen aufzuknüpfen. Mit Schusswaffen im Anschlag sind sie zu allem bereit. Auch in Europa sehe ich rassistische und antisemitische Bewegungen auf dem Vormarsch und offensiver in ihrem Vorgehen. Sie fühlen sich bestärkt durch den Nährboden der Politik der kapitalistischen Länder, welche eine harte Linie gegen Geflüchtete fahren und ihre Grenzen mit Stacheldraht sichern.

Ich sehe in diesem Zusammenhang Neonazis, die nach Griechenland reisen um mit Gewalt die Europäischen Aussengrenzen gegen Migrantinnen zu verteidigen: Faschisten die im Windschatten von Frontex-Grenzpatrouillen, Jagd auf Geflüchtete machen. Diese versuchen sie mit Knüppel in der Hand von Hilfsangeboten fernzuhalten und sie nach dem ganzen Trauma von Krieg und Flucht erneut zu traktieren.

Dies alles macht mich traurig und wütend gleichermassen.

Die rechtsextreme PNOS, welche sich nur zum Schein ein Demokratisches Mäntelchen verpasst, hat am 24.11.2018 zu einer Kundgebung nach Basel mobilisiert. Tobias Steiger, Vorsitzender der PNOS Basel, hat an eben dieser Kundgebung gegen Jüdische Menschen gehetzt und ihnen zionistische Weltherrschaftspläne unterstellt. Er meinte, dass die Juden sowohl den ersten wie auch den zweiten Weltkrieg angezettelt hätten. Dies obwohl es ihnen eigentlich gut in Deutschland ergangen sei. Mit ihrem Geld möchten die Juden Zustände schaffen, um ihre Macht als auserwähltes Volk zu zementieren. Der Referent der PNOS würde am liebsten alle jüdischen Menschen zwangssterilisieren. Neonazis, einige davon sind der PNOS am 2018 nach Basel gefolgt, träumen immer noch von der Gewalt der Konzentrationslager wo Jüdinnen und Juden versklavt und ermordet werden. Aber auch Kommunistinnen, Anarchistinnen, Gewerkschafter, Behinderte, Sinti/Roma… Dies kann nicht unwidersprochen bleiben. Dieser Barbarei muss mit Entschlossenheit entgegengetreten werden! Nicht nur die „radikalen“ Kräfte, sondern alle sollten hinstehen wenn Neonazis marschieren. 2000 Menschen haben dies an diesem Samstag im November 2018 erfolgreich getan und den Nazis einen ungemütlichen Empfang bereitet.

Als Antifaschist bin ich ein genauer parteiischer Beobachter der Verhältnisse. Doch mit Nazis vertreiben allein ist es nicht getan.

Als Kommunist habe ich verstanden, dass die Wurzeln des Faschismus durchaus in der kapitalistischen Gesellschaftsordnung liegen. Die imperialistische Logik von Ausplünderung, Profit und Verelendung sind ein Terrain wo faschistische Tendenzen wachsen und sich entfalten können. Diejenigen welche im Kapitalismus am meisten von Ausbeutung profitieren und fette Profite einfahren, haben in Krisenzeiten das grösste Interesse, mit harter Hand ihre Macht zu erhalten. Gegen Faschismus zu sein, bedeutet für mich auch gegen den Kapitalismus zu sein.

Antifaschismus ist ehrenvoll und Menschenpflicht. Antifaschistische Werte zu verteidigen, gestern, heute, morgen ist Auftrag aller. Als Kommunist bin ich stolz darauf, mich einreihen zu können in diesen historischen und gegenwärtigen Kontext. Und darüber hinaus, ein Teil zu sein des Kampfes für den Sozialismus, Teil zu sein dieser verändernden Kraft.