Stadtentwicklung? Klassenkampf!

Flugblatt zum demonstrativen Stadtrundgang mit Baby Jail in Zürich am 22. August 2013:

Stadtentwicklung? Klassenkampf!

Stadtentwicklung ist in aller Munde. Versinnbildlicht durch Mammutprojekte wie die Aufwertung des Langstrassenquartiers in Zürich oder der Umgestaltung des Rheinhafens in Basel, unter dem standesgemässen Namen „Rheinhattan“, oder charakterisiert durch steigende Mieten, eine sich verändernde Nachbarschaft sowie architektonischen und städtebaulichen Massnahmen: Stadtentwicklung ist kein herbeigeredetes Phänomen, sondern fassbare Entwicklung der Suche des schweizer und internationalem Kapitals nach profitträchtigen Geschäftsbereichen.

In der Sprache der Stadträte, Immobilienbesitzer und Architekten geht es dabei um die „Aufwertung“ der Stadt, um das Verbessern der jetzigen Situation. Sie tun dabei so, als ob alle davon profitierten. Und schauen dabei bewusst darüber hinweg, dass die Aufwertung eben nur für diejenigen gilt, die sich an diesem Geschäft beteiligen können. Will heissen: Das Angebot der aufgewerteten Stadt können sich nicht alle leisten. Wie auch, denn kein kluger Kapitalist wird es sich in diesem lukrativen Bereich nehmen lassen, dort zuzuschlagen, wo die fettesten Profite warten. Entsprechend heisst die Stadtaufwertung für einen Grossteil der bisherigen BewohnerInnen der jetzigen Quartiere nichts anderes als Vertreibung. Da sie oftmals schlicht nicht mit den ansteigenden Mieten mithalten können, steht ihnen kaum ein anderer Weg offen, als sich nach günstigerem Wohnraum umzuschauen.

Stadtentwicklung ist nichts neues. Es ist beispielsweise kein Zufall, dass in Paris die Boulevards breit gebaut sind. Um im Falle von Aufständen schneller reagieren zu können, wurden die Strassen als städtebauliche Massnahme im 19. Jahrhundert so angelegt, dass Truppenverschiebungen schneller stattfinden konnten. Schon damals war die Frage der inneren Sicherheit ein treibender Faktor bei der Planung der Stadtteile. Heutige Massnahmen, wie die flächendeckende Installation von Videokameras oder die Zunahme der Einsätze von privaten Sicherheitskräften im öffentlichen Raum, sind die heutigen Antworten auf die Versuche der Kapitalisten, den öffentlichen Raum kontrollierbar zu machen. Mit unterschiedlichen Mitteln wie im 19. Jahrhundert, aber mit derselben Zielsetzung.

Auch die Stadtentwicklung, die nicht durch Repression, sondern durch steigende Mieten wirkt, ist nichts neues. Schliesslich ist der Begriff „Gentrifizierung“ als Synonym der Stadtaufwertung auf die Situation im 18 Jahrundert in England zurückzuführen, wo die herrschende Klasse – die gentry eben – sich in Quartieren niederliess, wo zuvor Ärmere wohnten und diese dadurch vertrieben. Genauso wie die Stadtentwicklung damals von der Zahlungsfähigkeit der BewohnerInnen abhängig war, ist sie es heute auch noch.

Es wäre verfehlt so zu tun, als sei die Situation heute in Zürich, Basel oder sonstwo genau dieselbe wie dazumal. Doch sollte man nicht aus einer oberflächlichen Betrachtung schlussfolgern, dass heute alles anders ist wie früher. Denn wie oben dargelegt sind Parallelen durchaus vorhanden.

Wir denken, dass sich in den vergangenen Jahren tatsächlich etwas verändert hat. Das eine ist, dass heute mehr Menschen in Städten leben als auf dem Land. Diese Tendenz dürfte in den kommenden Jahren weiter vorangetrieben werden. Gleichzeitig befindet sich der Kapitalismus in einer Krise. Entsprechend verschärft sich der Kampf um den Raum, denn durch die Investition in diese knapp werdende Ressource werden Profite erwartet. Damit verschärfen sich die Widersprüche in den Städten, wo immer mehr Leute auf immer kostbarerem Raum leben.

Aus diesen Überlegungen sollte der Schluss gezogen werden, dass Stadtentwicklung nichts anderes als ein Teil des kapitalistischen Systems ist. Die Muster der Suche nach Profit, des Konkurrenzdrucks und der Auseinandersetzungen um die Situation der Arbeitenden sind in der Stadtentwicklung nicht anders als in irgendeinem anderen Wirtschaftsbereich. Und darum kann und soll der Kampf gegen Stadtentwicklung eben nicht nur auf die Stadtentwicklung reduziert werden. Stadtentwicklung ist Klassenkampf, egal ob vor 200 Jahren oder heute.

Genau darin liegt das revolutionäre Potential der Stadtentwicklung. In der Auseinandersetzung rund um Überwachung, Mieten und Vertreibung darf nicht aus den Augen verloren gehen, dass dieser Kampf auch ein Kampf gegen den Kapitalismus ist. Entsprechend gilt es, ihn in eine gesamtheitliche Perspektive zu setzen, sich zu organisieren und konkrete Erfahrungen zu machen. Klassenkampf ist nichts starres, sondern ein dynamischer Ausdruck des Kräfteverhältnisses zwischen oben und unten. Bei sich verschärfenden Widersprüchen gilt es, in den konkreten Auseinandersetzungen die Seite der ArbeiterInnen zu stärken und aufzubauen.

Damit nicht nur die Wohnsituation, sondern die Gesamtsituation sich ändert, gilt es, Vorschlägen, die nur eine Pflästerlipolitik betreiben, aus dem Weg zu gehen. Es gilt auch, nicht nur die Faust im Sack zu machen, sondern für eine tatsächliche Umwälzung der Verhältnisse einzustehen. Den Kampf in der Stadtentwicklung zu einem Kampf für einen revolutionären Prozess zu machen, damit es nicht bleibt, wie es ist.

Gegen Stadtentwicklung von oben – für Stadtentwicklung von unten!
Für den Kommunismus!