Heraus zum 8. März
Care-Arbeit kollektivieren-Kapitalismus entsorgen – dies ist die Parole zur diesjährigen Frauendemo. Denn die Wirtschaftskrise ist im Grunde auch eine Krise der gesellschaftlichen Reproduktion. Die Widersprüche des Kapitals verschärfen sich daher auch im Pflegebereich fortlaufend: So werden Gesundheitswesen und Bildung dem internationalen Kostenwettbewerb ausgesetzt, der Druck auf die Arbeitenden steigt: Arbeitshetze und Lohndrückerei sind an der Tagesordnung. Kapitalismus in der Krise bedeutet auch allgemein Angriffe auf die Errungenschaften der Frauenbewegung und die Stärkung der antiemanzipatorischen Kräfte!
Eure Krise bezahlen wir nicht! Frauen gemeinsam auf die Strasse!
Care-Arbeit kollektivieren – Kapitalismus entsorgen!
NEU: Communiqué I Fotos I Flugblatt
Frauendemo, 08.03.2014, 13:30 Uhr, Hechtplatz Zürich
Material: Communiqué I Fotos I Flugblatt I Wandbilder und Fotos I Bündnisplakat I Bündis-Faltblatt I Bündnis auf FB I
Artikel der Frauenstruktur im Bündnis-Faltblatt:
We care
Dass je länger je mehr feministische Debatten vom Thema Sorgeökonomie dominiert werden, ist kein Zufall. Einerseits weil Care-Tätigkeiten mehrheitlich niedrig bewertete/bezahlte oder unbezahlte Frauenarbeit beinhaltet und zweitens weil in diesem Bereich die Widersprüche des Kapitals in der Krise verschärft aufbrechen. Warum ist dies so?
Erstens: Sorgearbeit für sich und andere ist von enormer Bedeutung sowohl für das umsorgte Individuum als auch für die Gesellschaft: Ohne umfassende Sorgearbeit kann kein Kind überleben, kein Erwachsener sich reproduzieren, am gesellschaftlichen Leben teilhaben oder seine Arbeitskraft wiederherstellen, kein menschenwürdiges Leben bei Krankheit oder im Alter gewährleistet werden. In der Schweiz sind Frauen über 80% ihrer Arbeitszeit mit bezahlter und unbezahlter Sorgearbeit beschäftigt, die Männer mit 50%.
Zweitens: Das alte Familienernährermodell der 60/70er Jahre hat endgültig ausgedient. Bereits ab Mitte der 1970er Jahre wurde das Ernährermodell instabil. Lohnsenkungen führten dazu, dass es bis in den Mittelstand hinein nicht mehr möglich war, mit einem Lohn eine Familie zu ernähren. Auch aus emanzipatorischen Gründen stieg und steigt die Frauenerwerbstätigkeit stetig an. Dies führte zwar zu einem starken Wachstum im personenbezogenen, öffentlichen und privatwirtschaftlichen Dienstleistungssektor, denn die Nachfrage nach warenförmiger Sorgearbeit steigt kontinuierlich an (Kinderbetreuung, Alten- und Langzeitkrankenpflege). Doch wird heute durch die Sparmassnahmen im öffentlichen Pflegebereich diese Entwicklung teilweise relativiert, was die Doppelbelastung für erwerbstätige Frauen wieder verschärft und für die gesamte proletarische Familien den Druck erhöht.
Drittens: Der Bedarf an Sorgearbeit nimmt stetig zu und das Verhältnis zwischen den Arbeitssektoren verschiebt sich immer mehr zugunsten des tertiären Sektors, also Handel, Verkehr und Dienstleistungen. Von 1991 bis 2012 sind in der Schweiz in Industrie und Bau 16,4% Stellen (195’000 Arbeitsplätze) abgebaut worden. Gleichzeitig sind im tertiären Sektor 18,5% Stellen (390’500) geschaffen worden. Diese Zahlen zeigen, dass tendentiell in der 1. Welt immer weniger Menschen für die Produktion von warenförmigen Lebensmitteln, Konsumgütern und Produktionsmittel benötigt werden, hingegen der Bedarf an Arbeitskräften im Care-Bereich steigend ist. Zum einen weil in der Güterproduktion mehr Produktivitätsfortschritte gemacht werden können, zum andern weil Kapital und Arbeitsplätze in Billiglohnländer ausgelagert werden. Und schliesslich, weil wir immer individualisierter, älter und pflegebedürftiger werden. Der Kapitalismus hat drum ein unaufhörlich wachsendes Problem: Mit den wertschöpfungsschwachen Arbeiten am Menschen in der marktwirtschaftlichen Lohnarbeit kann nur dann Wert geschöpft werden, wenn diese Arbeiten unter grossem Zeitdruck und/oder mit geringen Löhnen verrichtet werden. Die ganzen Rationalisierungen im Gesundheitsbereich sind Folge dieser Entwicklung. Dass auch das diesjährige World Economic Forum in Davos die Umgestaltung der Gesundheitsvorsorge zum Traktandum macht, zeigt die Brisanz des Themas.
Feministische AkademikerInnen leisten mit ihrer Kritik der politischen Ökonomie kontinuierlich wichtige Analysen zu diesem Bereich. Darin sind viele Forderungen richtig und zukunftsweisend. Sie bleiben allerdings oft im Teilbereich behaftet, bzw. beinhalten einen unlösbaren Widerspruch: ohne den Kapitalismus als Ganzes in Frage zu stellen werden Visionen formuliert, die sich in einer kapitalistischen Ökonomie nicht verwirklichen lassen. Eine Ökonomie, die Sorge als Grundbedürfnis und sozialökonomisches Menschenrecht realisiert: als Recht, Sorgeleistungen zu erhalten, und als Recht, ausreichend Zeit zu haben, um Sorgearbeit leisten zu können; eine Ökonomie, die ein Gleichgewicht herstellen will zwischen den verschiedenen ökonomischen Produktions- und Reproduktionsbereichen; die Frauen- oder migrantische Arbeit nicht minder bewertet/bezahlt; die ethische Fragen berücksichtigt und Qualität vor Profit stellt; die eine geschlechtergerechte Arbeitsteilung im bezahlten und unbezahlten Bereich einlöst; die den Wohlfahrtsstaat als zentralen Akteur der politischen Ökonomie stärken will, usw., bedingt die Revolutionierung der gesamtgesellschaftlichen Verhältnisse.
Es sind nicht die schlechten Seiten des Kapitalismus, die Frauen- und Sorgearbeit minder bewerten, die immer mehr Druck auf die Arbeitsbedingungen in den Spitälern ausüben, die MigrantInnen in Privathaushalten schon fast wieder in Leibeigenschaftsverhältnisse pressen. Es ist dies das Wesen des Kapitalismus, dass er in allen Bereichen höchstmöglichen Profit zu erzielen sucht. Blosse Forderungen zu stellen, verkennt die Machtverhältnisse, die allesamt darauf ausgerichtet sind, die herrschenden Ausbeutungs- und Profitverhältnisse zu bewahren. Es kann keinen Perspektivenwechsel einer Sorgeökonomie geben, ohne die Gesamtökonomie umzuwälzen. Das System hat keinen Spielraum für partielle Reformen. Zerstörung und Barbarei der Kapitalgesetze führen uns dies tagtäglich vor Augen.
Bleiben wir mit unseren Theorien vereinzelt, im akademischen Betrieb und ohne Praxis, bleiben unsere Forderungen blosses Sollen, sind wir zur Ohnmacht, zum Fatalismus und zur reinen Ethik verdammt. Um der Theorie einen Sinn zu geben, bedarf es ihrer realen, praktischen Umsetzung. Ohne die proletarische Klasse als organisierte Kraft werden wir nicht in die Lage kommen, Theorie und Praxis zu verbinden, handelnd Umgestaltungsprozesse möglich zu machen und Forderungen in wirkende Wirklichkeit zu verwandeln.
Dass immer mehr Arbeitskämpfe von KindergärtnerInnen, LehrerInnen, AltenpflegerInnen, PflegefacharbeiterInnen, Hebammen, stattfinden, zeigt die Verschärfung der Widersprüche in diesen Bereichen. Die darin formulierten konkreten Tagesforderungen verstehen wir als Teil eines allgemeinen Klassenkampfes, welcher proletarische Fraueninteressen ins Zentrum rückt. Die harten Reaktionen von Bourgeoisie und Staat auf diese Kämpfe und die alte verräterische Politik der Gewerkschaftsführungen machen deutlich, dass die Reformierbarkeit des Systems endgültig passé ist.
Diese Verschärfung der Widersprüche beinhaltet jedoch auch Möglichkeiten einer Politisierung der Kämpfe über die Tagesforderungen und die einzelnen isolierten Kämpfe hinaus. Die Transformation der Care-Arbeit zur Ware produziert auch eine neue Produktionsmacht im Gesundheitswesen. Diese kann zu proletarischer Macht entwickelt werden, wenn wir unsere eigenständige bereichsübergreifende langandauernde Klassensolidarität organisieren.
Care-Arbeit kollektivieren statt privatisieren!
Nehmen wir uns MehrWert! Für den Kommunismus!
Frauenkollektiv, Revolutionärer Aufbau Schweiz