Die LGBT-Community scheint in der Mitte der Gesellschaft angekommen, so laufen Polizei, Grosskonzerne und bürgerliche Parteien mit bei der Pride. Aber es gibt Widerstand gegen diese «Parade» der Angekommenen, international wie auch in Zürich. Der queere Widerstand ist weder stolz auf die Polizei noch will er sie an der Demo mit dabei haben.
(az) Wer Kritik an der Pride formuliert, begibt sich auf heikles Gebiet, es könnte schnell als homophob missverstanden werden und die Solidarität mit den Beteiligten der Pride wie auch die Identifikation mit der Geschichte dieser Demonstration (Stonewall Seite gegenüber) ist ernsthaft. Schliesslich geht der Kampf um die Pride zum Teil darum, diese Geschichte zurückzuerobern und keinesfalls gegen sie. Dennoch wagen queere Genoss_innen den Kampf seit einigen Jahren vermehrt, in den USA und Kanada, aber auch in Zürich. Sie wenden sich gegen den Kommerz, aber stark auch gegen den Rassismus. Es nehmen nämlich auch Organisationen wie beispielsweise die Gay-SVP an der Pride statt. Sie kämpfen im Namen der angeblichen Homophilie des Westens gegen die Einwanderung. Wer nicht für diesen rassistischen Scheiss instrumentalisiert werden will, wehrt sich.
Jeder Band Asterix beginnt mit der Aussage «Ganz Gallien ist von den Römern besetzt. Ganz Gallien? Nein!» Wer an Aktionen gegen die Pride in Zürich teilnimmt, fühlt sich wie in diesem sprichwörtlichen Dorf. Wir befinden uns auf heimischem Territorium, doch ist es besetzt von Sponsoring. Wie an einer Messe defilieren die Grosskonzerne und bürgerlichen Parteien. Sie heften sich das anerkannte Symbol der Weltoffenheit und der Toleranz ans Revers und verprassen Gelder, die sie dann von den Steuern absetzen können, weil es ja einem guten Zweck gedient habe.
Neben dem sicht- und fühlbaren Übergriff durch die Konzerne zeichnet sich die Pride Zürich aber auch durch eine ausgeprägte Komplizenschaft mit der Polizei aus. So laufen die «Pink Cops» jährlich mit. Dass homosexuelle Menschen mitlaufen dürfen, egal was ihr Beruf ist, scheint legitim, solange der einzige Programmpunkt der Demo «Homosexualität» ist. Schliesslich ist das kein politisches Programm, sondern eine einfache Klassen- und Branchen-übergreifende Realität. In anderen Städten jedoch bitten die Organisator_innen der Pride darum – in berechtigter Rücksicht auf all jene Beteiligten, die an allen anderen Tagen des Jahrs schlechte Erfahrungen mit den Kräften der Repression machen – die Uniform zu Hause zu lassen und den Verweis auf das Polizeicorps zu unterlassen. Nicht so in Zürich. Wie hier die Polizei auftritt, macht die Beteiligung zum äusserst unangenehmen Erlebnis. Und es vermittelt gegen aussen die falsche Botschaft, es gebe diese Probleme nicht mehr, im aufgeklärten Zürich sei Diskriminierung Schnee von gestern. Wer allerdings queer und auffällig ist, möglicherweise sogar papierlos oder gar Sexworker_ in, macht sie auch heute noch, die schlechten Erfahrungen von racial profiling und stereotypsierten Vorverurteilungen. Doch verwundert der positive Bezug zur Polizei nicht, schliesslich ist die Präsidentin der Pride ehemalige Polizistin und studiert heute Jus.
Ihr seid so, wie sie wollen, dass ihr seid!
Wer eine Intervention plant, muss sich gut überlegen, wie auftreten. Die Entscheidung fiel auf «Business Executive Drag» mit viel Glitzer und Glimmer, eindeutigen Schildern und Regenbogenfahnen, die mit schwarzen und braunen Streifen ergänzt sind, um den Einbezug von PoC-Menschen zu symbolisieren. Die Farbwahl ist im europäischen Kontext natürlich höchst unglücklich, aber da sie einen internationalen Bezug zum Ausdruck bringt, sehr sinnvoll.
Eine Gruppe queerer Menschen hat sich also in dieser Aufmachung auf die Strasse begeben, Parolen rufend auf frontalem Kollisions-Kurs mit der Pride. Das war eher krass, denn die Pride ist richtig gross. «No pride in police, no police in pride» oder «No justice, no peace, no pride in police», «Bullen, Bonzen, Banken: raus aus der Pride» oder «Ihr seid so, wie sie wollen, dass ihr seid» wurde so laut wie möglich geschrien. Die Route der Pride zu kennen war hingegen einfach, Google Maps hatte sie in Regenbogenfarben für alle einfach ersichtlich eingetragen. Der Plan war es, die Pride zu stören und zwar jene Blöcke davon, die stören. Also insbesondere die Cops und die Kommerzblöcke wie jenen der UBS. Im ersten Jahr, 2017, hat das auch gut funktioniert. Im zweiten Jahr waren die Polizeikräfte vorbereitet. Nachdem die Pride kurz ausgebremst und Flyer verteilt worden waren, liessen die kritischen Kräfte die Pride weiter ziehen, um sich dem nächsten Block zu widmen, worauf die Polizeikräfte auch schon zur Stelle waren. Acht Personen wurden verhaftet – festgenommen, wie die Polizei im Nachherein belehrt. Denn sie wurden «nur» auf den Posten abtransportiert und festgesetzt bis nach der Pride, dann mit Rayonverbot für alle Gebiete, in denen Parties angesagt waren, belegt, aber nicht weiter dafür belangt. Die Taktik ist klar: Die Polizei war nicht auf Verurteilungen aus, sondern auf Entfernung unliebsamer Störefriede aus der Pride.
Die Reaktionen aus dem Publikum waren meist verhalten, aber hat es auch Leute gegeben, die riefen «Lasst sie frei! Lasst sie frei!» Das war sehr erbauend. Die Aktion hatte auch ein bescheidenes mediales Echo, sowohl die Zeitschrift Mannschaft als auch die WoZ haben darüber berichtet. Die Entfernung der unliebsamen Störefriede, die eine militante, politisch explizit linke Demonstration, die ausgegrenzte Menschen einbezieht, fordern, wurde kritisch hinterfragt. Ein kleiner Erfolg, der dazu beitragen wird, dass die Debatte um die Pride weiter geht. Und das ist auch nötig.
aus: aufbau 97